Das Irrlicht
Irrlichter finden sich überall, wo es bruchig und morastig ist. Es ist ein allgemeiner Glaube, daß neugeborene Kinder, die vor der Taufe sterben, nicht in den Himmel aufgenommen werden, sondern als Irrlichter bis zum jüngsten Tage ruhe- und rastlos auf den Sümpfen umherwandern müssen, wenn sie nicht erlöst werden. Deshalb wurden die kleinen Leichen früher auch nicht auf dem geweihten Kirchhof beerdigt, sondern mußten in einem Winkel an der Kirchhofsmauer eingescharrt werden. Die stille Bestattung ging in der Regel in der Abenddämmerung oder am Morgen vor Sonnenaufgang vor sich. Zur Nachtzeit erscheinen die Irrlichter dem Wanderer als flackernde Lichter und führen ihn auf Irrwege, ja häufig sogar in das blanke Wasser hinein. Hat das Irrlicht seinen Zweck erreicht und den Menschen verlockt, so klatscht es vor Freuden in die Hände und ist verschwunden. Der Irregeleitete aber mag anstellen, was er will, er findet sich diese Nacht nicht wieder zurecht. Er muß warten, bis die Sonne aufgeht, erst dann ist der Zauber gelöst.
(mündlich)
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© Klaus-Dieter Kreplin, Am Südhang 14, D-58313 Herdecke 2003