Weitere Geschichten aus dem Kreis Bütow von Georg Sonnenburg ©
1986-2001
Erstveröffentlichung in: Die Pommersche Zeitung
vom 9.1.1993
Zwei reuige Sünder
Krawuttkes
Paul und Rehbocks Walter waren dicke Freunde, und das schon seit vielen
Jahren. Sie waren unzertrennlich, denn wo der eine aufkreuzte, da
konnte der andere nicht weit sein. „Dei sünd 'n Kopp un 'n Orsch“,
pflegten die Leute zu sagen. Beide waren Bauern und wohnten ein paar
Kilometer von Jassen entfernt nahe der Grenze zur Kaschubei auf einem
Abbau, der ein gemeinsames Wohnhaus mit zwei Eingängen und
getrennte Wirtschaftsgebäude hatte.
War Krawuttke in diesem Abbau geboren und aufgewachsen und hatte Haus
und Hof von seinen Eltern geerbt, wie das bei allen Bauern der Fall
war, so stammte Rehbock aus dem fernen Niedersachsen, wo alle
Rehböcke in der Gegend von Gifhorn beheimatet sind. Er hatte bei
den Blücherhusaren in Stolp gedient und auf einem Manöverball
in Jassen seine bildhübsche Elfriede kennengelernt, die
außer ihrer Anmut und Schönheit auch noch einen Bauernhof
besaß, für den sie dringend eine Mannsperson benötigte.
Wer will es Rehbock verargen, daß er da - zu Hause ohnehin als
Drittgeborener als Hoferbe hoffnungslos im Rennen - mit beiden
Händen zugegriffen hatte.
Die abgeschlagenen Freier in der Umgebung nahmen das übel und
mieden eine Zeitlang den Neubauern Rehbock, doch das spürte der
nicht sonderlich, weil er ja seinen Busenfreund Krawuttke hatte. Mit
der Zeit vernarbten aber alle Minnewunden, und Bauer Rehbock wurde
einer der ihren. Überhaupt verstand er von Landwirtschaft eine
ganze Menge, und als er noch daranging, die vom Grafen gezüchtete
Kartoffelsorte „Alma“ mit Erfolg anzubauen, da stieg er in aller Augen
zu beachtlicher Größe auf.
Leider gab es gerade mit dieser Kartoffelsorte einigen Ärger, weil
nämlich die Wildschweine an diesen gelbfleischigen Erdäpfeln
Freude gefunden hatten und immer wieder nächtens in die Felder
einfielen. Krawuttke, der auch in diesem Fall seinem Freund gefolgt war
und die gute „Alma“ angebaut hatte, die übrigens den Namen seiner
ihm Angetrauten führte, Krawuttke also „erfand“ ein probates
Mittel gegen die schwarze Brut aus den nahen Wäldern, indem er
nämlich eine brennende Stallaterne mitten auf das Feld stellte,
was die Schwarzkittel gründlich vergrämte. Rehbock folgte
spontan dem Beispiel seines Busenfreunds, und so gingen beide Nachbarn
abends bei Dämmerungsbeginn einträchtig nach ihren
Kartoffelfeldern, dort ihre Laternen abzustellen und den Wildschweinen
derart den Appetit zu vergällen.
Dann hatte sich Rehbock den Fuß verknackst und mußte seine
schnuckelige Frau mit der Laterne aufs Feld schicken, was Krawuttke
nicht unrecht war, wie er gleich beim ersten gemeinsamen Gang
durchblicken ließ. Zu seiner Alma ist zu sagen, daß sie
außer ihrem schönen Namen nicht viel aufzubieten hatte, was
besonders daran deutlich wurde, daß die Leute beim Anblick des
Ehepaars sich jedesmal zuraunten: “Wo hätt hei blot sien Ogen
hat... ?“
Und Rehbocks Walter war auch nicht mehr das, was er als schneidiger
Husarenunteroffizier gewesen war. Längst war bei ihm der graue
Alltag mit reichlich Feldarbeit eingekehrt, der ihn abends todmüde
ins Bett fallen und sofort einschlafen ließ, was von Elfriede so
nicht gesagt werden kann. Die lag nicht gerade selten noch lange wach
unter dem Federberg und träumte von minniglichen Stunden, wobei
sie nicht allein ihren Walter im Sinn hatte.
Walters Fuß wollte und wollte nicht gut werden, deshalb ging
Elfriede auch weiterhin mit Paul nach den nahebeieinander liegenden
Kartoffelfeldern, dort die Laterne aufzustellen. Allmählich
wunderte es Rehbock allerdings, daß sein Weib unnötig lange
ausblieb, und so machte er sich eines Abends humpelnd auf, um auf dem
Feld „nach dem Rechten“ zu gucken. Bei seiner Ankunft dort blakten zwar
beide Laternen still vor sich hin, aber von Paul und Elfriede war keine
Spur zu entdecken. Das wunderte Rehbock zwar gewaltig, trotzdem er war
schon im Begriff den Rückweg anzutreten, als er es ganz nahe im
hohen Kartoffelkraut rascheln hörte.
„Is do wer?“ fragte er und machte mißtrauisch einen Schritt
vorwärts. „So dat jeniegt mi!“ setzte er mit dem nächsten
Atemzug grimmig hinzu, denn die hohen Strempel teilten sich und hervor
kamen aus der Dunkelheit heraus sein treues Eheweib Elfriede und sein
bester Freund Paul. Die Situation schien eindeutig zu sein, denn zwei
verschiedengeschlechtliche Menschen nachts im Kartoffelkraut - das ging
nicht mit rechten Dingen zu; jedenfalls nicht für Rehbocks Walter,
und für jeden anderen Mann vermutlich auch nicht. Aber Frieda gab
sich so rasch nicht geschlagen und entgegnete kühn: “Wie hebbe ma
blot Mettkes seikt, wat du ma immer glick dinke deist.“ Sie
schüttelte mit gut gespielter Empörung den hübschen
Kopf.
„Ach so is dat....“ Rehbock sah verlegen von einem zum anderen, denn es
war allgemein bekannt, daß Krawuttke ein leidenschaftliche
Aalangler war. Und Tauwürmer als Köder fand man nur im
Dunkeln, das war auch bekannt. Wer weiß...?
Die drei gingen schweigend den Weg zum Abbau zurück, jeder mit den
widerstreitendsten Gedanken im Kopf. Um „de Jeschicht“ endgültig
ins reine zu bringen, lud Krawuttke seinen Busenfreund ein paar Tage
danach in „Wilkes Gastwirtschaft“ in Jassen zum Umtrunk ein, was der
nicht ausschlug. Und dort halfen sich die beiden so gewaltig einen ein,
daß sie nur noch mit Mühe den Weg nach Hause fanden. Die
alte Freundschaft war neu besiegelt worden.
Krawuttkes Alma hörte die beiden denn auch schon von weitem
krakeelen und grölen und empfing sie mit bösen Worten gleich
am Hoftor. Nichts brachte sie mehr in Rage, als wenn ihr Paul einen
über den Durst trank. Das war Sünde, und Sünden
haßte sie, das machte sie beiden an Ort und Stelle lautstark
klar, die unter ihren durchdringenden Blicken am liebsten im Boden
versunken wären. Weil das nicht möglich war, kam Krawuttke
ein anderer Gedanke, wie er seine fromme Alma besänftigen
könnte. Er kniete nieder, zog seinen Freund Walter am Ärmel
herunter und begann lautstark den Choral „Ich bete an die Macht der
Liebe“ zu singen, in den Rehbock ebenso lautstark einfiel. Beide
merkten bei ihrem Gesang überhaupt nicht, daß sie im Umkreis
des Misthaufens in der Sickerjauche knieten. Alma sah das wohl, wollte
die reuigen Sünder aber jetzt nicht stören. Ihrem Paul
würde sie die dreckige Hose gleich im Hausflur ausziehen, um
Schlimmeres zu verhüten, und Elfriede, die sich wunder was darauf
einbildete, daß ihr Walter mal Unteroffizier gewesen war,
gönnte sie es von Herzen, wenn sie sich beim Anblick ihres
ehemaligen Husarenuffz. gründlich „verjagte“.
Ob Krawuttkes Paul mit Rehbocks Frieda nächtens noch mal „Mettkes sammeln“ gegangen ist, ist nicht überliefert.
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